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Leseprobe "gut informiert"
aus "Heides Zeit in Berlin"
© Klaus Schumacher, Indien und Berlin 2008
 
Da Heide Holly kannte, und Holly politisch-dadaistisch engagiert war, war Fred stets gut informiert, wenn etwas Besonderes bei der KPD/RZ anstand. Das Kürzel KPD stand nicht etwa für Kommunistische Partei Deutschland, sondern für Kreuzberger Patriotische Demokraten, und RZ stand für Realistisches Zentrum. Mit einem ausgeklügelten Zehn-Punkte-Programm versuchte die KPD/RZ ernsthaft, bei den nächsten Wahlen Mandate zu erringen. Frontmann war der ehemalige Sänger "der einzig wahre Heino". Und das Programm umfaßte Punkte wie "Ausgehverbot für Männer bei Temperaturen über 30 Grad Celsius" und "Förderung der Berliner Luftschiff-Industrie". Letzter Punkt war übrigens weniger abwegig, als die KPD/RZ selber vermutet hätte, wie der kurz darauf entworfene Cargo-Lifter bewies, ein Groß-Zeppelin für die Beförderung von Lasten, die zu schwer oder zu voluminös für die Verfrachtung per Tieflader waren, und welcher in Brandenburg gebaut werden sollte.
  Es war im Sommer, als die Kreuzberger Linken eine Herausforderung der Friedrichshainer Linken angenommen hatten. Die Anhänger der beiden Gruppen stießen am Heinrichplatz aufeinander, und weil das Ganze als politische Demonstration angemeldet worden war, hatte die Polizei für ein Parkverbot dort gesorgt - Autos, die trotzdem dort standen, wurden sogar abgeschleppt. Beide Parteien hatten sich bestens ausgerüstet. Bewaffnet, wäre vielleicht besser ausgedrückt. Auf Märkten und bei Obsthändlern hatten sie sich alles geben lassen, was für den Verkauf bereits zu vergammelt war. Und als es zwei Uhr nachmittags war, gingen sie mit faulen Tomaten und dergleichen aufeinander los. Schon nach kurzer Zeit glich der Platz einem Schlachtfeld, war übersät mit faulem Obst - und es stank fürchterlich! An den Fenstern der Häuser um den Platz standen brave türkische families, starrten wie gebannt herunter und konnten nicht fassen, was sie sahen.
  Die Behörden hatten, weil ordnungsgemäß angemeldet, kein Problem mit der Veranstaltung, und im drauffolgenden Jahr wurde das Spektakel wiederholt, diesmal auf der Oberbaumbrücke, die den ganzen Nachmittag lang für den Verkehr gesperrt war.
  Auch ein weiteres Jahr danach war die Veranstaltung angemeldet worden und die Genehmigung lag vor, diesmal aber versuchten sich die Veranstalter mittels eines raffinierten Schachzuges der Gebühren zu entziehen, die dadurch zustande kamen, daß die Stadtreinigung die verursachte, stinkende Schweinerei hinterher wieder wegfegte: Unmittelbar vor Beginn der Kampfhandlungen, als die Brücke bereits für den Straßenverkehr gesperrt war, wurde die Veranstaltung bei der Behörde kurzfristig wieder abgesagt. Damit war es keine offizielle Veranstaltung mehr, es gab keinen Veranstalter mehr, und drum konnte auch niemand für Reinigungsarbeiten, die trotzdem nötig waren, zur Kasse gebeten werden. So weit so gut, und nun begannen die Kampfhandlungen. Allerdings versuchte jetzt die Polizei, die Veranstaltung aufzulösen, weil die ja nicht angemeldet und somit unzulässig war. Als sich die Kämpfenden, die ja von dem Anruf und somit von der veränderten Sachlage nichts wußten, ganz unerwartet von der Polizei attackiert sahen, verbündeten sie sich im Nu und setzen ihre gesamte, übel stinkende Munition gegen die Beamten ein, die ziemlich eingesaut waren und übelst rochen, als sie die Brücke endlich frei bekommen hatten.

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