HERKUNFT

Leseprobe "Dampf" aus "Indien-Impressionen"

Ich sitze in der Behandlungskabine, musste mich bereits entkleiden. Nun wird das Beistelltischchen herausgeschafft. Das war doch noch bei allen unterschiedlichen Behandlungen hier drin. Seltsam. Einer der Masseure kommt mit einem angeschmuddelten Abfalleimer an. Dahinein soll ich mich übergeben? Doch nun bückt er sich, kriecht fast unter meine Liege, fingert einen dicken, schwarzen Schlauch, der auf dem Boden lag, darunter hervor. Was mag das nur geben? Einen Einlauf? Er legt das Ende des Schlauches in den Eimer und dreht einen Absperrhebel an der Wand auf. Jetzt passiert etwas: aus dem Ende des Schlauches kommt eine braune Brühe herausgeströmt und sammelt sich auf dem Boden des Eimers. Bislang habe ich diese Klinik für sehr sauber gehalten, doch was ich hier gerade sehe, ist höchst unappetitlich. Nun beginnt dem Schlauch Dampf zu entströmen, gefährlich viel Dampf, ich traue dem Gerät eine ähnlich vernichtende Wirkung zu wie einem Flammenwerfer. Der Masseur steht vor mir, mit gezücktem Dampfwerfer, hält das Ding aus knapp einem Meter Abstand direkt auf mich. Ich übe mich in Vertrauen. Er wird schon nicht. Da reißt er das Ventil auf! Dampf schießt auf mich zu, trifft mich, hüllt mich ein. „Autsch, heiß!“ melden die ersten Sinnesorgane. Doch es sind nur ein paar winzige, vom Dampf mitgerissene Wassertröpfchen, die mir auf die Beine sprenkeln. Der Dampf selber fühlt sich angenehm an. Doch wenn der Masseur den Abstand einmal nur um ein paar Zentimeter verringert, wird es deutlich heißer.