HERKUNFT

Leseprobe "Sprossenzüchter"
aus "Indien-Impressionen"
© Klaus Schumacher, Berlin 2006

Am Strand von Aksa betreiben vier Inder ein ungewöhnliches Gewerbe: Sie züchten Sprossen. Feuchter Sand wird ausgehoben und mit ihm ein drei Quadratmeter großes Beet angelegt, darauf kommen die gelben Samen, und über diese noch mal eine gute Schicht Sand. Nach ein paar Tagen ist daraus ein satter Teppich aus Sprossen herangewachsen, der nun abgeerntet wird. Ein Büschel Sprossen wird herausgerupft, zusammengebunden, der Sand wird aus den Wurzeln gewaschen, dann wird es für 1 Rupie verkauft. 600 Rp bringt so ein Teppich ein, doch 300 Rp gehen alleine schon für das Saatgut ab, bleiben bei zwei Feldern, die pro Tag abgeerntet werden, 150 Rp Verdienst pro Nase. 3 Euro, das hört sich für Europäer nach nicht viel an, es liegt aber mehr als 50 % über dem durchschnittlichen Verdienst eines Inders, bei vergleichsweise angenehmer Tätigkeit. Ein paar Tage später muß ich meine Verdienstbetrachtung allerdings revidieren: Auch wenn er sich nur selten sehen läßt, die vier Männer haben einen Chef. Da werden sie wohl schwerlich mehr als 80 Rupies am Tag bekommen. Dann unterhalten wir uns wieder einmal mit ihnen. Schnell holen sie aus ihrem Zelt eine Bastdecke und breiten sie für uns aus, so daß wir uns zu ihnen auf den Sand setzen können. Einer von ihnen kommt von weit her. Um seine Familie zu sehen muß er eine zweitägige Zugfahrt in Kauf nehmen. Ein anderer wird in Kürze für ein paar Monate nach Dubai fliegen. Dort verdient er 6000 Rp pro Monat, das ist doppelt so viel wie hier, den Flug bekommt er gestellt. Wir sind überrascht, daß sie 100 Rp am Tag bekommen. Die ausgebildeten Masseure in der Klinik bekommen auch nur 3500 Rp im Monat, von daher ist die Bezahlung der Sprossenzüchter gar nicht mal so übel. Nachts, wenn ich noch mal ans Meer gehe, sehe ich aus dem Zelt, das sie sich aus Stangen und Planen unmittelbar an ihrer kleinen "Plantage" zusammengebaut haben, Licht flackern: sie wohnen hier, vier Männer in den Zwanzigern und frühen Dreißigern, ohne Frauen, ohne Familien, am Strand von Aksa. Ihr derzeitiges Leben ist ganz und gar auf diese Arbeit eingestellt. (11.2)

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