HERKUNFT

Leseprobe "Arten zu verschwinden"
aus "Nordindien"
© Klaus Schumacher, Indien und Berlin 2007

Da war ein Leopard. Er war hier aufgewachsen und drum an die Nähe der Menschen gewöhnt. Überhaupt gab es heutzutage kaum noch rechte Rückzugsmöglichkeiten fernab aller Menschen. Zudem waren die Dörfer mit ihren Hunden und kleinen Kälbern oder Ziegen verlockender. Ein Leopard konnte tagelang auf Jagd sein ohne etwas zu essen. Dafür mußte er aber auch mit einer guten Beute zurückkommen und nicht etwa mit einer Ratte oder einem Vogel.
  Igur hatte einen Hund gewittert, der nicht allzu erfahren zu sein schien. Hier oben wußten alle Hunde vom Leopard und verhielten sich von klein an entsprechend. Nicht so dieser Hund. Er machte einfach zu viele Fehler, stellte Igur fest. Und so lag er drei Tage lang auf der Lauer, kam nachts vorbei, bespähte das Terrain, bis er an diesem Morgen endlich das nötige Quäntchen Glück hatte. Es fing schon an zu dämmern und es war schon leicht schummrig, als einer der Zweibeiner die Tür zum Hund weiter öffnete. Der Hund kam heraus und wollte vor dem Haus sein Geschäftchen verrichten. Igur war ein guter Jäger. Nicht einmal ein einziger Laut drang aus der Kehle des Hundes, als er ihn sich packte.
  Atscha war durch den Schlag mit der Pranke bewußtlos geworden, links blutete seine Lefze. Igur hatte ihn gepackt und wollte ihn unversehrt zu seinen Jungen bringen. Unterwegs kam Atscha wieder zu sich. Jetzt mußte er sich schon etwas Gutes einfallen lassen ...
 
  "Nein, es war anders. Da war doch von einem Mann aus ChoTa Bazar die Rede, der scharf auf den Hund war. Glaubst du, der ist heute morgen gekommen und hat ihn mit einem Chapati von der Veranda gelockt?"
  "Nein, er hat sich mit Thara abgesprochen, dem Besitzer unseres Restaurants. Als Atscha heute morgen dort auf die Terrasse gegangen ist, hat Thara sich ihn geschnappt und in ChoTa Bazar angerufen."
  "Und bis der Mann gekommen war, waren wir frühstücken gekommen, und so lange wir auf der Dachterrasse waren, konnten sie den Hund ja schlecht aus dem Haus ins Auto bringen. So steckte der Mann eine ganze Weile hier fest und mußte abwarten, bis wir endlich wieder gingen."

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