HERKUNFT

Leseprobe "Cape Coast."
aus "Unterwegs in Ghana"
© Klaus Schumacher, Berlin 2006

In Cape Coast (31) (32) wechseln wir Geld, diesmal ist Fanti an der Reihe. Sie hat ausdrücklich große Scheine verlangt, und so bekommt sie für 200 Britische Pfund (300 Euro) lediglich 175 Scheine. Sie läßt sich die obligatorische schwarze Plastiktüte geben, steckt die Geldbündel hinein und stürmt Richtung Ausgang. An der Tür kann ich sie gerade noch abfangen.
"Willst du das Geld diesmal nicht verstauen?"
"Mach du das", sagt sie und drückt mir den Beutel in die Hand. So war das nicht gedacht. Wohin bloß damit? Ich setze mich auf eine Bank und sortiere meine Fototasche um, bekomme den Beutel darin verstaut. Dann erst gehen wir hinaus. Draußen wartet unser Taxi schon seit einer Stunde auf uns, Fanti hat vergessen, wo es steht und steigt ins falsche ein. Es ist glühend heiß in der Mittagssonne, Fanti wird den Irrtum schon bemerken, drum eile ich weiter, auf das richtige zu, das ein Stück weiter steht. Als ich mich umdrehe, bevor ich einsteige, sehe ich, daß Fanti mit einem Mann redet, und dann gehen beide zurück und verschwinden in der Bank. Verdutzt und Probleme ahnend folge ich. Der Mann ist der Sicherheitsmann der Bank. Als Fanti ihn beim Betreten der Bank sah, dachte sie, der hat einen guten Job, braucht den ganzen Tag nichts weiter zu tun als hier zu sitzen, doch nun erlebt sie ihn in Aktion.
"Ich habe bemerkt, daß der Mann, der vor euch an der Reihe war, unter einem Vorwand in der Bank geblieben ist, bis ihr herausgegangen seid, dann ist er euch gefolgt. Bleibt erst einmal hier in der Bank, hier drin seid ihr sicher." Inzwischen ist auch unser Taxifahrer hinzugetreten. Der Sicherheitsmann instruiert ihn, er geht nun das Taxi holen und muß es bis ganz nahe an den Eingang der Bank heranfahren. Erst dann dürfen wir hinausgehen und einsteigen.
Wir beschließen, die Fahrt in das Heimatdorf von Fantis Vater sicherheitshalber mit diesem Taxi zu machen, statt nahe der Bank auf ein Tro-tro umzusteigen. Unterwegs müssen wir lediglich noch Schnaps kaufen, denn den braucht man zur Anrufung der Ahnen. Gut eine Stunde später sind wir in Enyan Dentyura (33) , machen Fantis Familie ausfindig und werden in ein Haus geführt. Einer nach dem anderen von den Verwandten kommt hinzu, Fanti und mich zu begrüßen, dann wechseln wir den Ort, sitzen nun in einem geräumigen, schattigen Innenhof, der im Vergleich zu dem Gebäude davor angenehm kühl ist, und es strömen immer mehr Leute herbei, und als wir fast schon zu 30 sind, geht auch bereits die Ahnenanrufung los. Jemand spricht einige Sätze, die für Fanti ins Englische übersetzt werden, dann macht eine große Tasse die Runde. Ein jeder entscheidet, ob er sie nimmt oder vorbeiziehen läßt. Die meisten haben sich ein wenig Schnaps eingießen lassen und entleeren die Tasse auf den Boden. Es riecht nach Schnaps. Nur einige ältere Frauen lassen sich die Tasse halb füllen und trinken sie in hastigen Zügen aus. Als ich an der Reihe bin, lasse ich mir ein wenig Schnaps einfüllen, und während ich ihn auf den Boden gieße, bin ich unversehens in Bali, meine Freundin Ulli ist vor wenigen Tagen hier gestorben und nun sitze ich mit Franz, einem gemeinsamen Freund, am Abend vor unserem Abflug aus Bali in dieser wunderschönen Bungalow-Anlage und wir haben noch diese Flasche Whiskey, die wir jetzt trinken, und das meiste davon kippen wir abwechselnd auf den Boden und sagen dabei
"für Ulli!"
Ich habe Ullis Bild, ihre Gestalt, ihr Lächeln einen Moment kristallklar vor Augen, dann bin ich wieder in diesem Innenhof.

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