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Leseprobe aus "Silvester"
© Klaus Schumacher, Indien und Berlin, 2004

Silvester ist immer die große Zeit unseres Chemikers, Rolf. Er kann eine hervorragende Mischung zubereiten, ein Zeugs, das wirklich unglaublich knallt. Man braucht es dazu nicht einmal in einem festen Gefäß zu verdämmen, wie man das mit Schießpulter tun muß. Es genügt wirklich, es einfach nur zu zünden, dazu reicht bereits einer der üblichen China-Kracher, den man in einen Becher voll mit Rolfs Zeugs hineinsteckt und dann anzündet, dann macht es "Peng!", aber wie!
  Meist erzeugt Rolf das Zeugs mit ein paar anderen Chemiestudenten zusammen, weil das mehr Spaß macht, und an den Tagen unmittelbar vor Silvester sitzen sie mit großen Schüsseln, voll mit den weißlichen Kristallen, an unserem Frühstückstisch und füllen ihre Ausbeute in Plastikflaschen um.
  "Es darf bloß nie ganz trocken werden, sonst geht es am Ende noch von alleine los", beruhigt uns Rolf.

Zum Jahreswechsel, als es überall zischt, knallt, heult, leuchtet und gleißt, zündet Rolf seinen größten Topf auf der gegenüberliegenden Straßenseite, dort, wo die Bruchsteinmauer unseres Nachbarn zum Tor hin nach innen gewölbt ist. Es tut den erwarteten mächtigen Schlag, dann klirrt es. In der Richtwirkung der Mauerwölbung, bei unseren unmittelbaren Nachbarn, mit denen wir Wand an Wand wohnen, ist eine Scheibe herausgefallen. "Hohlladungseffekt" nennt Rolf das Mißgeschick und schiebt die Schuld der Mauerwölbung zu.

Im darauffolgenden Jahr, zu Silvester, hat sich nicht viel geändert, die Schüsseln stehen wieder auf dem Tisch, nur daß es diesmal ein paar mehr sind ...

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