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Leseprobe "am Tag nach dem Geburtstag"
aus "auf Suche"
© Klaus Schumacher, Berlin, Bali und Indien,2008

Es ist am Tag nach dem Geburtstag.
  "Sybilla, wir müssen dir etwas sagen."
  "Heute hat meine Puppe Geburtstag, schaut mal was ich - ..." die blonde Sybilla verstummt, als sie die Eltern so ernst dreinblicken sieht.
  "Du bist doch jetzt schon zehn. Und da müssen wir dir etwas sagen. Sybilla - "
Karin drückt Sybilla fest an sich. "Sybilla - wir sind nicht deine richtigen Eltern."
 
  Sybilla wird schwarz vor Augen. Und dann purzelt alles durcheinander. Das kann nicht sein. Das darf nicht sein. Wenn ihr nicht meine Eltern seid, dann kann es mich doch gar nicht geben, will sie sagen, doch sie weiß, daß das dumm ist, darum läßt sie es sein.
  "Mein Gott, du bist ja ganz bleich im Gesicht. Karin, halt sie gut fest, sie kippt sonst jeden Moment um!"
  "Ihr seid nicht - meine richtigen - Eltern?" quält die Kleine nun heraus. "Wer seid ihr denn? - Habe ich - keine - Eltern?" Für Sybilla stürzt gerade die Welt ein. Das ist jetzt so ähnlich wie damals, vor ein paar Jahren, als sie erfuhr, daß es den Weihnachtsmann nicht gibt. Da war sie erst bestürzt, und dann hatte sie sich geschämt, weil sie so dumm war und daran geglaubt hatte. Und jetzt sind es die Eltern. Das ist viel schlimmer. Aber wenn es den Weihnachtsmann nicht gibt und nun die Eltern auch nicht, was kann wohl noch alles kommen, das es gar nicht gibt? Vielleicht ist überhaupt nichts echt, vielleicht ist ja alles falsch was sie weiß und was sie glaubt, vielleicht gibt es sie selber ja nicht einmal.
  "Sybilla. Sybilla!" Horst fühlt sich selber jämmerlich, als er Sybilla so die Augen verdrehen sieht. "Sybilla! Wir sind doch da, wir sind hier! Es hat sich doch nichts geändert!"
  Doch, es hat sich etwas geändert. Sybillas kindliches Vertrauen ist nun auch nicht mehr. Auch ohne daß es ihr jemand ausgeredet hätte.
  Und anderseits hat sich auch wiederum nichts geändert. Irgend etwas hat schon immer nicht gestimmt, bloß wußte Sybilla bislang nicht was. Jetzt weiß sie es.
  All die Jahre wurde sie betrogen. Die beiden haben ein blödes, betrügerisches Spiel mit ihr gespielt und sie für dumm verkauft.
  "Ich hasse euch."
  "Wie, was???"
  "Ich hasse euch", haucht Sybilla.
  Karin und Horst sind fassungslos.
  "Sybilla, das darfst du nicht sagen! Das darfst du nie wieder sagen!"

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