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Leseprobe "Helfersyndrom"
aus "Heides Zeit in Berlin"
© Klaus Schumacher, Indien und Berlin 2008

Heide hatte immer diese Art drauf, zu helfen. Helfersyndrom? Wohl nicht, es kam nämlich von Herzen. Fred lernte mehrere von denen kennen, die Heide ihr Leid klagen durften.
  Christoph zum Beispiel, den sie liebevoll "Großer" nannte, denn er war wirklich nicht klein, erst recht nicht im Vergleich zu diesem Püppchen, das sie war. Sie hatten ihn im Osten gequält. Er war mit dem Motorrad unterwegs gewesen, als er von einem Polit-Funktionär über den Haufen gefahren wurde. Der hatte wohl getrunken und wollte nicht, daß das aufflog, drum hatte er den Schwerverletzten einfach im Straßengraben liegen lassen und sich davon gemacht. Christoph wäre um ein Haar verreckt und hatte zumindest reichlich Narben davongetragen. Als er wegen der Sache später den Mund aufmachte, kam er in den Knast. Fred hatte ihn bereits über mehrere Jahre hinweg an Heides Geburtstagen gesehen, als sie sich Sorgen um ihn machte, weil er immer depressiver draufkam.
  "Jetzt hat es auch noch in dem Haus, wo er wohnt, gebrannt!" sagte Heide.
  "Ist ihm etwas passiert?" wollte Fred wissen.
  "Ihm selber nicht. Aber eine Nachbarin von ihm, eine alte Frau, ist verbrannt. Und er hat sie schreien hören."
 
  Julius paßte in dieses Helfer-Raster nicht ganz rein, aber auch er hatte in der DDR im Knast gesteckt - im Psychoknast. Über sechs Monate bekam er kein Tageslicht zu sehen, und keine Uhr, wurde gezielt vollkommen aus dem Rhythmus gebracht. Dabei hatte er nur ein paar Flugblätter gedruckt, die nicht systemkonform waren. Da hatte es auch nichts geholfen, daß sein Vater ein höherrangiger Parteifunktionär war, eher im Gegenteil
  Diese Psychoknastzeit steckte ihm immer noch in den Knochen. Von den Prominenten, die auf dem gleichen Stuhl hatten sitzen müssen wie er, welcher mit einer Röntgenkanone verbunden war, waren die meisten schon gestorben, und er stellte sich die bange Frage, ob auch er diesen zerstörerischen Strahlen ausgesetzt gewesen war und wenn ja, wie stark. Langzeitwirkung. Etwas mehr und derjenige starb nach fünf Jahren, etwas weniger und es waren zehn. Wieviel Strahlung war es wohl bei ihm gewesen?

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