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Leseprobe "ein schöner Maitag"
aus "das Gebräu"
© Klaus Schumacher, Berlin, 2005

Es ist ein schöner Maitag, im Nachbarhof bereitet man sich auf eine Grillparty vor, schon Mittags machen sie die Musik an, doch sie spielen nur eine einzige Scheibe in beträchtlicher Lautstärke wieder und wieder. Es ist eine grauenhafte deutsche Schnulze und ich hasse deutsche Schnulzen. Allmählich geht mir die Musik auf den Sender, ich möchte sehen, ob ich etwas dagegen unternehmen kann. Auf der Ostseite meiner Fabriketage installiere ich in einem Blumenkübel vor dem Fenster eine Lochsirene, mit Abstrahlrichtung genau in den Nachbarhof. Dann lege ich ein langes Kabel zur Feuertreppenplattform auf der Westseite und setzte mich gemütlich darauf hinauf. Von hier kann ich das Geschehen im Nachbarhof betrachten und unbemerkt die Sirene fernbedienen. Wollen wir doch einmal sehen! Mit einem Schmunzeln stöpsele ich ein. "Huiiiii" ertönt es lautstark von der anderen Seite. Nachbars Schnulze geht aus, meine Sirene ebenfalls, die Schnulze geht wieder an, ebenso meine Sirene, dann geht die Schnulze abermals aus, meine Sirene folgt, und es bleibt ruhig. Hurra, sie haben begriffen! Ich habe gewonnen.
  Aber welcher Sieg hält schon ewig? Eine Stunde später geht die Musik wieder an, unmittelbar gefolgt von der Sirene. Es gibt ein zähes Ringen. Die Schnulze läßt nicht locker, minutenlang wetteifern beide um die Vorherrschaft. Mit der Sirene dabei ist die Geräuschkulisse noch grauenhafter als ohne. Als ich einsehe, daß sich die Nachbarn von der Sirene nicht mehr beeindrucken lassen, schalte ich sie ab. Die Schnulze hat gewonnen. Ich muß wohl zu härteren Mitteln greifen.
  Ich habe doch noch Buttersäure im Schrank stehen. Das ist eine Flüssigkeit, die bestialisch stinkt. ...

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