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Leseprobe "kurvenreiche_Stecke"
aus "Uranus-Mars-Transite"
© Klaus Schumacher, Berlin, 2006

Auf der kurvenreichen Stecke von Tirtaganga runter nach Amed überkommt Franz eine maßlose, unerklärliche Wut auf Ulli. Immer schneller kurvt er die gewundene Gefällstrecke entlang, bis er nur noch so dahinrast.
  "Was die sich nur einbildet!" faucht er. "Arrogante Gans!"
Und er gibt noch mehr Gas, legt sich mächtig in die nächste Kurve.
  Ein Auto kommt bergauf gefahren. Der Fahrer hat eine gute Scheibe eingelegt und genießt die wunderschöne Strecke, läßt sich dabei von der Musik antörnen, ist begeistert von der Morgenstimmung über dem weiten Tal.
  Dann zuckt der Fahrer zusammen, denn aus den Augenwickeln heraus hat er gesehen, daß etwas auf ihn zugeschossen kommt. Jetzt, wo er den Blick darauf gerichtet hat, sieht er ein Motorrad, das zu sehr in der falschen Spur fährt. Er hupt, bremst, zieht nach rechts, und der Wagen beginnt zu schleudern.
  Erst jetzt wacht Franz aus seinem Wutfilm auf, begreift, daß er die Kurve zu sehr schneidet und er halb in der Gegenfahrbahn hängt, er richtet das Motorrad auf, so gut er in der engen Kurve nur kann. Immer noch fährt er zu weit in der Gegenfahrbahn.
  Der Autofahrer zieht den Wagen ins Bankett, so weit er nur kann. Haarscharf kommt Franz am ausscherenden Heck des Wagens vorbei, hat dann aber ein Problem damit, nicht aus der Kurve zu fliegen.
  Schweißgebadet hält er nach der Kurve an. "Das war verflucht knapp!" entfährt es ihm und ihm ist klar, das er soeben mit seinem Leben gespielt hat, aus Wut auf Ulli, und diese Wut ist maßlos. Franz schaut auf die Uhr, es ist neun Uhr fünfzehn. Und er braucht einige Minuten, bis er sich soweit beruhig hat, daß er weiterfahren kann. "Was war denn da gerade nur los mit mir?" wundert er sich. "Solch eine Wut kenne ich doch sonst gar nicht an mir. Und eigentlich hat sie mir ja auch nichts getan."
  Kurz nach halb zehn trifft Franz im resort ein und geht sogleich mit dem Beutel voller Medikamente, die er heute in aller Frühe für Ulli besorgen gefahren ist, zu ihrem Bungalow. Die Tür ist verschlossen. Franz schaut durch das Glas und sieht Ulli unter dem Moskitonetz im Bett liegen. Sie schläft noch.

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